Am kommenden Dienstag findet ab 20.30 die Veranstaltung zu m Thema „Wenn schon Arbeit, dann wenigstens Klasse – Thesen gegen die Einstellung der Neuen Linken zur Arbeit“ statt. Hier wie versprochen die Thesen zur Veranstaltung:
Thesen zum identitätsbewussten Bezug auf Arbeit
Arbeit ist eine Tätigkeit, die gegen Geld verrichtet wird, ein vom restlichen Lebenszusammenhang abgespaltener Bereich, der nach betriebswirtschaftlicher Logik funktioniert. Arbeit ist zwingend erforderlich, um Mehrwert zu produzieren und den Kapitalismus am Laufen zu halten. Arbeit und Kapital sind zwei Seiten einer Medaille. Soweit, so schlecht.
Der linksradikale Blick auf die Arbeit lässt es nun manchmal so aussehen, als sei nicht die Arbeitsgesellschaft dasjenige, dass einem Leben in nicht verächtlich machenden Verhältnissen entgegen steht, sondern die ArbeiterInnen, darunter gerade diejenigen, die sich entlang ihrer gesellschaftlichen Position organisieren und entsprechend von Arbeitermacht singen und sich in der Arbeiterbewegung organisieren. Es klingt manchmal so, als seien gerade diese bedauernswerte Dummbeutel, deren Hauptziel es sei, ihre Fesseln noch enger zu schnüren. Wirft man einen identitätsbewussten Blick auf die Subjektposition Arbeiter_in, sieht die Sache vielleicht anders aus.
Dazu ein paar Thesen:
- Niemand sucht sich aus, Arbeiter_in zu sein. Der Zwang, die Arbeitskraft zu Markte zu tragen, folgt aus den ökonomischen Gegebenheiten und hat sich in den letzten Jahrzehnten verallgemeinert.
- Die Dialektik der Arbeiter_innenidentität besteht darin, zum einen diesem Zwang zu unterliegen, zum anderen als Arbeiter_in potentiell gemeinsam handlungsfähig zu sein. Die Arbeiterbewegung versucht, aus der strukturell zugewiesenen Position eine kollektive Identität zu schmieden und damit die gemeinsame Handlungsfähig zu erreichen. Die gemeinsame Handlungsfähigkeit kann sich grob gesagt auf zwei Ziele konzentrieren: zum einen dasjenige an mehr Lohn, besseren Arbeitsbedingungen, etc; zum anderen dasjenige an der Aufhebung der Struktur, die für die Unterwerfung unter die Arbeit verantwortlich ist.
- In Konkurrenz zu einer Arbeiter_innenidentität gibt es im Betrieb zahlreiche andere Subjektivierungsangebote, die auf andere Ziele hinarbeiten: (Möchtegern-)Cheffinnen arbeiten für den Betrieb, Wissenschaftler_innen für das Wissen, Künstler_innen für die Kunst, Politische Aktivist_innen für die Sache. Sie alle imaginieren sich durch ihre Dethematisierung ihrer Position als Arbeiter_in eine Handlungsfähigkeit, die sie eigentlich nicht haben. Außerhalb von Arbeitsverhältnissen steht die Arbeiter_innenidentität in Konkurrenz zu anderen Kollektividentitäten: Die Nation will Deutsche, der Staat will Bürger, die Nazis wollen Weiße, etc.
- Der Ruf nach der Einheit der Arbeiter_innenklasse ist der Versuch, gegen diese Spaltungslinien ein gemeinsames Interesse zu formulieren.
- An dieser Stelle droht von zwei Seiten die Identitätsfalle:
- Die Identitätskonstruktion produziert ein Außen, dass abgespalten und bekämpft wird: „Die Müßiggänger schiebt beiseite“ (Die Internationale), Frauen an den Herd (sinngemäß August Bebel), Arbeitsplätze zuerst für Deutsche (bestehendes Recht)
- Die strategische Identität wird zur Daueridentität, die auch über ihre historische Mission hinaus an ihrer Grundlage festhält (Staatskapitalismus)
- Eine identitätsbewusste Arbeiterbewegung, die sich zu anderen gesellschaftlichen Kämpfen solidarisch in Beziehung setzt und nicht in die Identitätsfalle tritt, ist möglich.
- Sowohl für Lohnerhöhungen als auch für die Abschaffung des Kapitalismus ist eine kollektive Anstrengung nötig.
- Prädestiniert für die Abschaffung des verallgemeinerten Zwanges, die eigene Arbeitskraft zu verkaufen, sind die jenigen, die ihm unterliegen – also tendentiell alle Menschen, die im Kapitalismus leben. Die kollektive Anstrengung zur Abschaffung der Arbeit muss sich entlang des Zwanges zur Arbeit organisieren.
Nötig ist eine identitätsbewusste Arbeiter_innenbewegung, die in der kollektiven Praxis zu einer konkreten Anti-Arbeits-Bewegung wird.