In den letzten Jahren ist eine Debatte um Transfeindlichkeit im veto entbrannt (ähnlich zu verschiedensten feministischen Differenzen/ Debatten der letzten Jahre), nachdem eine Genossin das veto verließ, weil sie den Eindruck hatte, in ihrer Identität angegriffen, nicht ernst genommen und verletzt zu werden. Hier fassen wir die Auseinandersetzung kurz zusammen.
Das veto soll u.a. ein Raum sein, welcher sich gegen jegliche Form von Diskriminierung stellt und dies auch im Umgang und Handeln zeigt. Dies beinhaltet auch die Diskriminierung auf Grund des (zugeschriebenen) sozialen und biologischen Geschlechts. Uns ist es wichtig, im veto Strukturen zu schaffen, die Sexismus als Problem anerkennen und bekämpfen und somit insbesondere FLTI unterstützen und bestärken. Leider ist uns dies innerhalb der letzten Jahre nicht so gut gelungen.
Wir führen dies auf unsere fehlende Auseinandersetzung und Sensibilisierung mit diesen Lebensrealitäten und ein Überhören von Stimmen in Plenumsstrukturen zurück.
Kristallisationspunkt des Konflikts
Gleichzeitig fand im März 2019 im Rahmen einer von Dissens organisierten Veranstaltungsreihe der Vortrag Queerfeminismus und Islam – Eine feministische Kritik von Naida Pintul statt. Hier wurde im Vorfeld Kritik auf Grund von transfeindlichen Positionen der Referentin geäußert, der wir jedoch zu diesem Zeitpunkt nicht so viel Bedeutung zugemessen haben, wie es angebracht gewesen wäre.
Der Vortrag fand zwar nicht in den Räumen des vetos statt, wurde aber vom veto aus beworben und grundlegend als Kooperation verstanden, da andere Veranstaltungen innerhalb der Veranstaltungsreihe hier stattgefunden haben.
U. a. die fehlende Auseinandersetzung und Sensibilität des vetos für transfeindliche Inhalte der Referentin führte dazu, dass Menschen das veto (nicht mehr) als für sie sicheren und solidarischen Ort wahrnahmen, ihm seitdem fernbleiben und Kritik geübt haben. Das bedauern wir. Der Kritik an der fehlenden Auseinandersetzung haben sich auch weiterhin im veto aktive Personen angeschlossen.
Auch wenn es traurig ist, dass es manchmal solche konkreten, mit Verletzungen verbundenen Anlässe braucht, führte dies dazu, uns mit den eigenen inhaltlichen Positionen und deren Umgang auseinanderzusetzen.
Inhaltliche Auseinandersetzung im Nachgang
Um dies auch nach außen transparent zu machen, wollen wir hier erste Ergebnisse unserer Auseinandersetzung zum Thema Transfeindlichkeit mit euch teilen.
Wir erhoffen uns damit, einen Anstoß für andere zu geben und zu einer breiteren Sensibilisierung beizutragen.
Das erste was wir festhalten wollen, ist, dass wir Menschen nicht ausgehend ihres (zugeschriebenen) biologischen Geschlechts kategorisieren wollen. Das Verständnis einer binären Geschlechterordnung, in der sich jede Person wiederzufinden hat, lehnen wir ab. Keine Person sollte sich auf eine geschlechtlich definierte Identität festlegen müssen. Gleichzeitig maßen wir es uns nicht an, Menschen z. B. erst nach einer operativen oder hormonellen Geschlechtsangleichung als ‚vollwertig‘ zu betrachten. Jede:r soll selbst bestimmt entscheiden können, ob und in welcher Form auf äußerliche und innerliche (z.B. Hormone) Körpermerkmale Einfluss genommen wird. Gleichzeitig sind wir uns bewusst, dass trans Menschen hier durch Gesetze und Verordnungen in ihrem Selbstbestimmungsrecht stark eingeschränkt werden. Zudem werden sie pathologisiert, zu einer permanenten (nicht akzeptablen und übergriffigen) Beweispflicht hinsichtlich ihres Geschlechtes gezwungen,was mit kostenintensiven Gutachten verbunden ist. Dabei stehen ihnen z. T. völlig inkompetente Personen gegenüber, die sie (bei einer möglichen Transition) nicht unterstützen, sondern behindern. Auf individueller Ebene sind trans Personen häufig verbalen und körperlichen Über- und Angriffen ausgesetzt. Es ist bekannt, dass weltweit zwischen Oktober 2019 und September 2020 mind. 350 trans idente Menschen ermordet wurden – davon waren 98% trans Frauen oder trans weibliche Personen. [1]
Für transinklusive feministische Räume
Daraus ergibt sich für uns der nächste Standpunkt. Wir sind gegen die Ausgrenzung von trans Frauen aus Frauen-Schutzräumen oder anderen Räumen, in denen ausschließlich Frauen Zutritt haben (z. B. einige Frauenhäuser, Frauensport…etc.). Positionen dahingehend lehnen wir ab und dulden dies auch nicht als direkt oder indirekt geäußerte Inhalte von z.B. Veranstaltungen.
Da jeder Mensch auch unabhängig vom Geschlecht (wobei hier die Rolle des Geschlechts auf Sozialisation im Allgemeinen nicht abgesprochen werden soll) verschiedenste Erfahrungen und Sozialisation erfährt und sich daraus auch verschiedene Bedürfnisse auf Grund von z. B. Diskriminierungs- und Gewalterfahrungen ergeben, wollen wir Trans auch hier nicht auf Grund ihres biologischen Geschlechts stigmatisieren.
Das von einigen Feminist*innen (wie u.a. von TERFs – Trans ausschließende Feminist*innen aus dem englischen „Trans-Exclusionary Radical Feminists“) hervorgebrachte ‚Sozialisierungs-Argument‘ zur Ausschließungen von z. B. trans Frauen, was ihnen eine vermeintlich männliche Sozialisierung vorwirft, finden wir inhaltlich falsch, da ihnen dieses wiederum ihre Identität abspricht und zu ihrer Diskriminierung beiträgt.
Gegen die feministische Position, trans Frauen seien eine Gefahr für den Feminismus
Und wenn u. a. einige Feminist*innen argumentieren, dass z. B. Cis-Frauen vor trans Frauen geschützt werden müssten, da ansonsten die Gefahr der Vergewaltigung bestünde und/oder Frauen re-traumatisiert werden oder Menschen deswegen absichtlich ihre Identität ändern würden, dann wird hier polemisch eine Angst geschürt, die ebenso diskriminierend ist. Dies sind Erfahrungen, welche ein Großteil der Cis-Menschen in der politischen Linken nicht nachvollziehen kann. Es gibt dazu sehr wenige Schutzräume, welche explizit für Trans geschaffen werden. Auch gibt es z. B. zu wenig Frauenhäuser für trans Frauen, Trans-Sportclubs…etc.
Wir distanzieren uns daher von transfeindlichen Texten und Positionen wie sie bspw. im Artikel „Die Reform würde eine biologische Fiktion von Frauen mit Penis erschaffen“ vom 24.1.2019 in der Jungle World von Naida Pintul und Janina Marte vertreten werden. [2] Wir haben uns in der Folge mit Transfeindlichkeit auseinandergesetzt und die Texte, die wir hierbei gelesen haben, unten aufgeführt.
Was bedeutet das konkret fürs veto
Aus diesen Gründen wollen wir als veto ein Raum zum Empowern und Bekräftigen sein. Wir lehnen jede Form von Transfeindlichkeit ab und möchten auch dahingehend ansprechbar und handlungsfähig sein. Dennoch sind wir uns bewusst, dass Positionen von trans im veto kaum mehr repräsentiert werden – auch auf Grund der geschilderten Geschehnisse in der Vergangenheit. Wir haben den Wunsch und das Ziel, dass sich dies wieder ändert. Und dass auch trans und Inter das veto mitgestalten und prägen, wenn sie darauf Lust haben.
Unsere Angebote und Aufrufe zu Selbstorganisation beziehen sich von daher immer auf FIT*, also Frauen, Inter- und trans Personen. Momentan sind das FIT*-Sport und veto-feminists (aktuell finden wegen COVID-19 natürlich keine Angebote statt).
Wir wissen, das dies ein andauernder Prozess ist und noch mehr Auseinandersetzung benötigt, welchem wir uns in Zukunft als Raum stellen werden.
Für Kritik, Anregungen und Ideen sind wir weiterhin sehr offen.
Quellen
[1] https://www.tgns.ch/de/2020/11/gewalt-gegen-trans-menschen/
[2] https://jungle.world/artikel/2019/04/die-reform-wuerde-eine-biologische-fiktion-von-frauen-mit-penis-erschaffen
Zur Auseinandersetzung zu Transfeindlichkeit haben wir folgende Texte zur Grundlage genommen:
1) Daria Kinga Majewski zu Gemeinsamkeit und Differenz von trans und cis Weiblichkeit
2) Debattennachzeichnung „Transphobie & Feminismus“
Linus Giese (05.04.2019): „Besorgte Feministinnen“ erschienen im Tagesspiegel, Link: https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/queerspiegel/transfeindlichkeit-unter-frauen-besorgte-feministinnen/24182500.html
Till Randolf Amelung (07.12.2017): Im Auge des Shitstorms, erschienen in der jungle.world, Link: https://jungle.world/artikel/2017/49/im-auge-des-shitstorms
3) Naida Pintul und Janine Marte (24.1.2019): Die Reform würde eine biologische Fiktion
von Frauen mit Penis erschaffen, erschienen in jungle.world / Link: https://jungle.world/artikel/2019/04/die-reform-wuerde-eine-biologische-fiktion-von-frauen-mit-penis-erschaffen
4) AStA Uni Hamburg – Referat für Antidiskriminierung (12.12.2019): Statement zu Naida Pintul und der Veranstaltung „Queerfeminismus und Islam – eine feministische Kritik“, Link: https://www.asta.uni-hamburg.de/1-aktuelle-themen/01-asta-news/2019-12-05-antidis-stellung.html